Legasthenie oder Dyskalkulie?

Wenn Eltern eine Rechenschwäche (Dyskalkulie) vermuten oder sogar wissen, dass ihr Kind Probleme beim Verständnis von mathematischen Textaufgaben hat, dann muss nicht
unbedingt eine Dyskalkulie die Ursache dafür sein. Auch eine unerkannte Lese- bzw. Rechtschreibschwäche (LRS bzw. Legasthenie) kann die Ursache für Probleme in Mathe
sein. Eine pädagogische Förderung kann helfen, dass Kinder diese Probleme nachhaltig beheben. Der erste Schritt ist ein Rechtschreibtest. Dabei erfahren die Eltern bzw.
Betroffene, ob Verständnis-Probleme von Texten vorliegen.

Lesekompetenz und Mathematik
Rechenschwäche (Dyskalkulie) oder Leseschwäche?

Schüler, die schlecht in Mathematik sind, bei den Grundrechenarten viele Fehler machen, könnten an einer sogenannten Dyskalkulie, also an einer Rechenschwäche, leiden. Diese
Dyskalkulie entpuppt sich bei genauerer Betrachtung jedoch in vielen Fällen als LRS. Das Problem liegt dann nicht im Bereich des Rechnens, sondern bereits beim Lesen.
Leseschwache Schüler und Schüler mit LRS sind nicht oder nur mit größter Mühe in der Lage, mathematische Aufgabenstellungen und Textaufgaben zu verstehen.

Schriftliche Aufgabenstellungen verstehen

Das ist aber unerlässlich, denn wer nicht in der Lage ist, die Aufgabenstellung zu verstehen, ist nicht in der Lage, die Aufgabe zu lösen. Das gilt natürlich auch für andere Fächer wie Physik, Biologie, Chemie usw.!
Leseschwache Kinder und Kinder mit Legasthenie benötigen deshalb eine besonders sorgsame Vorbereitung auf den fachspezifischen Gebrauch der Wörter in der Mathematik sowie die typischen Textsorten. Es muss geprüft werden, ob es sich bei den Schwierigkeiten des Kindes wirklich um eine Rechenstörung in Form von Dyskalkulie oder um eine unzureichende Lesekompetenz beziehungsweise LRS handelt. Nur dann kann eine gute Förderung erfolgen und somit die schulische und persönliche Entwicklung des Kindes angemessen unterstützen.

Zwar schwach in Mathe, aber gut in Deutsch...
Gute Deutschnote keine Garantie für gute Lesekompetenz

Schüler die in Mathe schlecht sind und eine gute Deutschnote haben, düfte die Möglichkeit einer LRS als Ursache für die Probleme im Rechnen ausgeschlossen sein. Folglich vermuten wir dann, dass unser Kind eine Dyskalkulie hat. Das könnte ein Trugschluss ein. Kinder mit schwachen Fähigkeiten im Lesen können in der Schule eine gute Deutschnote erzielen, denn das Lesen macht nämlich nur einen kleinen Teil der Gesamtnote in Deutsch aus, genau wie der Teilbereich der Rechtschreibung (Orthographie). So bleiben Schwierigkeiten im Lesen und teilweise sogar im Schreiben häufig unerkannt oder werden als Problem unterschätzt.

LRS-Test bringt Gewissheit


Entwicklungen wie das "Schreiben nach Gehör" (Methode nach Jürgen Reichen) und neue Formen der Leistungsbewertung erschweren oft die Erkennung von LRS bzw. letztendlich
damit auch einer Dyskalkulie. Eine gute Deutschnote muss nicht unbedingt auf eine ausreichende Lesekompetenz schließen, man sollte allerdings auch keine Angst zeigen. Deshalb lohnt es sich für uns Eltern, auch bei einer guten Deutschnote an eine LRS beziehungsweise eine Leseschwäche als Ursache für die vermeintliche Rechenstörung zu denken. Sollte dies die Ursache sein, verbessert sich durch zielgrichtete außerschulische Förderung nicht nur die Lesekompetenz, sondern die vermeintliche Dyskalkulie könnte verschwunden sein. Die Noten müssten dann in allen möglicherweise betroffenen Fächern besser werden.

LRS und Dyskalkulie
Textaufgaben: nicht nur mit LRS eine Herausforderung

Nicht selten gehören einfache Textaufgaben im Mathematikunterricht bereits ab der 2. Klasse zum Alltag. Wenn man selbst einfache Texte nicht lesen und verstehen kann, sind dies erste Warnzeichen. Bereits von kurzen Textaufgaben können unsere Kinder überfordert sein. Die Länge einer Textaufgabe muss nichts über ihren Schwierigkeitsgrad aussagen. Auch kurze Textaufgaben können oft sehr kompliziert sein. Textaufgaben können somit auch solchen Kindern und Jugendlichen Probleme bereiten, die mit bloßen Rechenaufgaben sehr gut zurechtkommen. Auch hieran kann man nicht unbedingt auf eine Dyskalkulie schlessen. Allerdings kann eine niedrige Lesekompetenz durchaus die Symptomatik einer Dyskalkulie verstärken.
Selbst wenn sich ein Schüler den Bedeutungsgehalt literarischer Texte erschließen kann, stößt er damit in Mathematik oft an seine Grenzen. Denn anders als bei gewöhnlichen Texten kommt es hier oft auf jedes einzelne Wort an. Ebenso haben viele Wörter, die ein Schüler aus unserer Alltagssprache kennt, im Bereich der Mathematik eine andere Bedeutung. Zum Beispiel ist unter dem Begriff „Rechnung“ beim Einkaufen etwas anderes zu verstehen als in der Mathematik. Der Ausdruck „wie viel“ oder „wie viele“ ist bei Textaufgaben in der Regel die Aufforderung zum Rechnen. Kinder, denen dies aufgrund ihrer Leseprobleme entgeht, stehen an dieser Stelle meist vor großen Herausforderungen.
Mit ihrem alltäglichen Wissen kommt man dann in der Mathematik nicht immer weiter. Kinder und Jugendliche mit Legasthenie, LRS oder unzureichenden Fähigkeiten im Lesen erleben diese mathematische „Sondersprache“ als zusätzlichen Stolperstein. Das hat allerdings nicht unbedingt etwas mit einer Dyskalkulie zu tun.

Die besondere Schwierigkeit diskontinuierlicher Texte!

Vor eine besondere Herausforderung werden Schüler oft auch ohne Dyskalkulie durch überfordernde Texte gestellt. Dies können Texte sein, die nicht fortlaufend geschrieben sind, sondern zum Beispiel durch Tabellen, Diagramme oder Skizzen unterbrochen werden, die selbst weitere Informationen enthalten. In mathematischen Büchern sind diskontinuierliche Texte besonders verbreitet. Sie kommen aber auch oft in den Büchern aller Fächer wie in Biologie, Physik, Chemie usw. vor. Die Blickführung ist in diskontinuierlichen Texten nicht vorgegeben und liegt im Betrachtungsfeld des einzelnen Lesers. Leidet ein Schüler an einer LRS oder an Legasthenie, sind diskontinuierliche Texte eine ganz besondere Herausforderung. Im Alltag stellen sie zum Teil unüberwindliche Hürden für schwache Leser dar. Diskontinuierliche Texte im Alltagsleben sind oft Einkaufslisten, Telefonbücher, Fahrpläne, Fußballergebnisse, Wetterkarten, oder auch Kino- und Theaterprogramme, Wahlergebnisse, Klimadiagramme oder Fahrkarten.

LRS und Legasthenie - rechtzeitig etwas tun
Gewissheit verschaffen!

Uns Eltern bieten sich einige Anhaltspunkte, um mögliche Schwierigkeiten im Lesen zu erkennen. An Büchern haben junge Menschen mit LRS und Legasthenie nur wenig Interesse. Sie lesen langsam, stockend und meist unter Druck. Häufig lesen sie Wörter, die in den Sinn passen, aber nicht im Text stehen. Vor allem jüngere Kinder lesen Texte "auswendig". Fremde Texte verstehen sie inhaltlich nicht oder nur unter größter Anstrengung. Textbezogenes Interpretieren ist dadurch kaum möglich.

Schwierigkeiten im Rechnen oder doch im Lesen und Schreiben?

Wenn wir Eltern beobachten, dass sich unser Kind beim Rechnen schwertut und viele Fehler macht, oder vermuten, dass es eine Dyskalkulie haben könnte, sollten wir dies schnellstens überprüfen lassen, hinsichtlich Dyskalkulie oder LRS. Kann das Kind jedoch ausreichend gut lesen und versteht den gelesdenen Text auch gut besteht höchstwahrscheinlich eine Dyskalkulie. Diese sollte dann auch außerschulisch von Profis angemessen therapiert werden.

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