Das Schulgesetz verpflichtet Schulen zur Gewährung des Nachteilsausgleichs und eröffnet ihnen gleichzeitig die Handlungsmöglichkeiten, um die erforderlichen Maßnahmen umzusetzen. Die nachfolgenden Verfahrensgrundsätze ergänzen die Regelungen der Schulordnungen für die einzelnen Schularten und dienen der Handlungssicherheit aller Beteiligten.

Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen sind Kinder, Jugendliche und Heranwachsende, die langfristige körperliche, seelische, geistige Beeinträchtigungen oder Sinnes-beeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können. Dies können Schülerinnen und Schüler mit oder ohne sonderpädagogischen Förderbedarf sein. Satz 1 bezieht auch die Schülerinnen und Schülern mit chronischen Erkrankungen mit ein.

Grundsatz Bei der Gestaltung des Unterrichts und bei Leistungsfeststellungen sind die besonderen Belange von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen zu berücksichtigen und ihnen der zum Ausgleich ihrer Behinderung erforderliche Nachteilsausgleich zu gewähren (§ 3 Abs. 5 SchulG).

Eine Reduzierung der Lernanforderungen oder ein Abweichen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsbeurteilung ist nicht zulässig. Die Abiturprüfungsordnung und die Prüfungsordnung für die berufsbildenden Schulen bleiben unberührt.

Begriffsbestimmung:

Nachteilsausgleich sind alle notwendigen und geeigneten Maßnahmen, die es Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen ermöglichen Zugang zum Unterricht, zu Leistungsfeststellungen und Prüfungen zu finden und ihr tatsächliches Leistungsvermögen nachzuweisen, ohne dass die Lernanforderungen reduziert und von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsbeurteilung abgewichen wird.

Verfahren:

Bei der Gestaltung des Unterrichts und bei Leistungsfeststellungen ist es dauernde Aufgabe aller Lehrkräfte, die möglichen Auswirkungen einer Behinderung in den Blick zu nehmen und die erforderlichen Maßnahmen des Nachteilsausgleichs zu gewähren. Dabei sind die Auswirkungen einer Behinderung im jeweiligen schulischen Kontext und bezogen auf den Einzelfall zu betrachten und nicht allein die Behinderung nach ihrer Art und ihren Symptomen. Die Notwendigkeit eines gewährten Nachteilsausgleichs ist regelmäßig zu überprüfen.

Bei der Beurteilung der Auswirkung einer Behinderung auf schulisches Lernen kann die Schule das zuständige Förder-und Beratungszentrum zur Beratung einbeziehen.

Beantragen die Eltern oder die volljährige Schülerin oder der volljährige Schüler die Gewährung von Nachteilsausgleich, so ist dies zu begründen und die Behinderung und ihre Auswirkungen glaubhaft zu machen. Die Schule kann die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung verlangen.

Maßnahmen des Nachteilsausgleichs:

Zu den Maßnahmen des Nachteilsausgleichs gehören insbesondere die Anpassung äußerer Rahmenbedingungen (z.B. Zeit, Organisation, Hilfsmittel), behinderungsspezifsche pädagogische oder methodisch didaktische Maßnahmen. Unter der Voraussetzung, dass die Chancengleichheit der Mitschülerinnen und Mitschüler gewahrt bleibt, können wenn erforderlich auch Ersatzleistungen vorgesehen werden, die der Schülerin oder dem Schüler ermöglichen, die gleichen Lernanforderungen in anderer Weise zu erbringen.

Zuständigkeiten:

Alle in der Klasse unterrichtenden Lehrkräfte entscheiden im Benehmen mit den Eltern oder den volljährigen Schülerinnen und Schülern die Grundsätze, nach denen Maßnahmen des Nachteilsausgleichs für eine Schülerin oder einen Schüler festgelegt werden.

Schülerinnen und Schüler sind in geeigneter Weise einzubeziehen.

Sie können eine Person ihres Vertrauens einbeziehen.

Die Grundsätze werden in der Schülerakte dokumentiert; die Eltern erhalten eine Ausfertigung. Die dokumentierten Grundsätze gehören zu den notwendigen Daten, die bei Schulwechsel auf Anforderung der aufnehmenden Schule zu übermitteln sind.

Die Entscheidung über die erforderlichen Maßnahmen des Nachteilsausgleichs bei der Gestaltung des Unterrichts und bei der Leistungsfeststellung trifft die unterrichtende Lehrkraft.

Die Prüfung und Entscheidung, ob die fachlichen Anforderungen unverändert sind, obliegt der Fachlehrkraft. Die Fachkonferenz oder die Fachberaterinnen und Fachberater für das jeweilige Fach können zur Beratung einbezogen werden.

Nachteilsausgleich

"Bei der Gestaltung des Unterrichts und bei Leistungsfeststellungen sind die besonderen Belange von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen zu berücksichtigen und ist ihnen der zum Ausgleich ihrer Behinderung erforderliche Nachteilsausgleich zu gewähren."
(§ 3 Abs. 5 SchulG)

Wegen der besonderen Bedeutung ist dieser Grundsatz auch in den Schulordnungen für die einzelnen Schularten sowie in Prüfungsordnungen (vgl. Abiturprüfungsverordnung und Prüfungsordnung für die berufsbildenden Schulen) enthalten. Nachteilsausgleich ist - wenn erforderlich - in allen Schulstufen, in allen Fächern und bei allen Prüfungen zu gewähren. Nachteilsausgleich ist damit ein Thema für Lehrkräfte aller Schularten.

Auch wenn der Begriff "Nachteilsausgleich" aus § 126 SGB IX stammt: im Schulbereich ist die Feststellung einer Schwerbehinderung nach dem Sozialgesetzbuch nicht maßgeblich. Schule legt den offenen an Teilhabe orientierten Behinderungsbegriff der UN-Behindertenrechtskonvention zu Grunde (vgl. auch Beschluss der Kultusministerkonferenz "Inklusive Bildung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen im Schulen" vom 20.10.2011).

Welche Maßnahmen im Unterricht und bei der Leistungsfeststellung erforderlich sind, ist jeweils im Einzelfall zu prüfen. Medizinische Diagnosen sind nur ein erster Anhaltspunkt für die Prüfung, ob Nachteilsausgleich erforderlich ist.

Die Schulen ermitteln in enger Beteiligung der Betroffenen (und ihrer Eltern) die konkret tatsächlich entstehenden negativen Auswirkungen einer Behinderung auf schulisches Lernen und legen für die einzelnen Fächer die erforderlichen Maßnahmen des Nachteilsausgleichs fest.

Dabei gelten folgende Grundsätze:

  • Nachteilsausgleich verändert nicht das fachliche Anforderungsniveau und wird daher nicht im Zeugnis vermerkt.

  • Der Leistungsbeurteilung liegen die gleichen Bewertungsgrundsätze zugrunde.

  • Befreiung von einer Leistung ist in der Regel keine geeignete Maßnahme des Nachteilsausgleichs.

Die Maßnahmen des Nachteilsausgleichs sollen negative Auswirkungen einer Behinderung auf schulische Teilhabe kompensieren, damit die Schülerinnen und Schüler gleichberechtigt im Unterricht mitarbeiten und ihre Leistungsfähigkeit zeigen können.

Zur Handlungssicherheit aller Beteiligten sind auf dieser Seite (rechter Bereich) Verfahrensgrundsätze zu finden, die die Regelungen der Schulordnungen für die einzelnen Schularten ergänzen. Die Abiturprüfungsordnung und die Prüfungsordnung für die berufsbildenden Schulen bleiben unberührt.

 

Landesverordnung über die Abschlussprüfungen an den berufsbildenden Schulen (Prüfungsordnung für die berufsbildenden Schulen), vom 29. April 2011

§ 20 Sonderregelung für Prüflinge mit Behinderung

Für Prüflinge mit Behinderung hat das vorsitzende Mitglied des Prüfungsausschusses auf Antrag die zum Ausgleich der Behinderung erforderlichen Arbeitserleichterungen zuzulassen.